Glaubenssätze verändern

Werkzeuge und Rohmaterialien

Um sich die Arbeitsweise und daraus resultierenden Wirkungen der verschiedenen Enneagrammprofile bewusst zu machen, benutzen wir ein weit verbreitetes psychologisches Modell. Es beschreibt drei Werkzeuge – Vorstellung, Wunsch und Erwartung – sowie sechs Rohmaterialien: Glaubenssätze und Haltungen, Gedanken und Gefühle, Entscheidungen und Wahlmöglichkeiten. Diese Begriffe sind elementar für den Prozess, wie wir uns unsere Wirklichkeit schaffen. Deshalb möchten wir sie hier etwas genauer beschreiben: Das erste Werkzeug ist die Vorstellung (wie links im Modell dargestellt).

Die Werkzeuge, mit denen wir unsere Wirklichkeit erschaffen

Alles was ein Mensch sich vorstellen kann, was er wirklich will und wofür er eine Erwartung aufbaut, kann er auch realisieren. Neurowissenschaftler finden immer mehr darüber heraus, wie die Vorstellung von einer Handlung, die wir nur in Gedanken und gar nicht physisch ausführen, die gleichen Botenstoffe und Neuronen in unserem Gehirn aktivieren, wie die tatsächliche Erfahrung. Sie haben dies insbesondere bei Sportlern untersucht, die sich ihre Übungen oder Sprünge immer und immer wieder vorstellen. Tiere empfinden Gefühle, ähnlich wie Menschen. Sie leben aber nach Instinkten und können ihre Wünsche nicht frei wählen. Diesen Wünschen mit reflektierten Gedanken eine Bedeutung zu geben und sie mit Gefühlen bewusst und proaktiv »anzuheizen«, ist dem Menschen vorbehalten. Der klare Vorsatz und die umfassende und präzise Vision von dem, was man will, erschafft die Wirklichkeit.

Viele Menschen unterscheiden diese drei Werkzeuge nicht bewusst. Oder sie sagen sich Dinge wie, »Ich habe keine Erwartung, weil ich dann nicht enttäuscht werden kann« und glauben sehr smart zu handeln. In Wahrheit nutzen sie die Wirkung, die dieses Werkzeug entfalten könnte, nicht oder nur eingeschränkt für ihre eigene Zukunft. Diese These wird zweifelsfrei dadurch bestätigt, dass randomisierte kontrollierte Studien, beispielsweise in der Pharmaforschung, verpflichtend sind. Vereinfacht gesagt bedeutet »randomisiert«, dass die Zuordnung der Probanden zufällig erfolgt und weder der Versuchsleiter noch der Proband wissen, wer den Wirkstoff und wer das Placebo bekommt. Für diese Vorgehensweise hat man sich entschieden aus der wissenschaftlichen Erkenntnis heraus, dass die Erwartung des Versuchsleiters das Ergebnis beeinflusst.

Das Business-Enneagramm geht auf die sehr unterschiedliche Anwendungsweise aller drei Werkzeuge seitens der neun Enneagrammprofile ein und zeigt Wege auf, wie sie präziser und energiesparender bei der Schaffung der Wirklichkeit eingesetzt werden können.

Die Rohmaterialien, aus denen wir unsere Wirklichkeit erschaffen

Die Rohmaterialien sind, wie in der Grafik dargestellt: Glaubenssätze, Haltungen, Gedanken, Gefühle, Entscheidungen und die Wahlmöglichkeit bzw. Freiheit, diese (Rohmaterialien) für die Gestaltung des eigenen Lebens selbst zu wählen. Die Glaubenssätze (Grundannahmen) und Haltungen (Einstellungen) sind größtenteils unbewusst. Wenn der Mensch Veränderungen in seinem Leben erzielen möchte, gilt es hier anzusetzen. Es müssen die zugrundeliegenden Haltungen und Glaubenssätze bewusst beobachtet werden, um sie nach dem eigenen Willen zu verändern. In der Regel werden Gedanken und Gefühle bewusst wahrgenommen. Der Mensch kann ihnen auch eine Bedeutung geben. Veränderungen finden jedoch nicht auf der Ebene der Gedanken oder Gefühle statt, sondern auf der tieferen Ebene der Glaubenssätze und Grundannahmen. Positives Denken oder das Bemühen positiven Gefühlen mehr Raum zu geben, wird kaum ausreichen, nachhaltige Veränderungen zu erzielen. Letztendlich hat jeder Mensch die Freiheit, Entscheidungen für sein Leben zu treffen, die seine bestehenden Glaubenssätze bestätigen oder neue Glaubenssätze hinzufügen und damit sein bestehendes Repertoire erweitern.

Beispielsweise gibt es Menschen mit dem Glauben daran, dass die Welt ein gefährlicher Ort ist, wo man immer auf der Hut sein muss, um sich vor Gefahren zu schützen. Darauf basierend entwickeln sie Haltungen, Gedanken und Gefühle und treffen Entscheidungen im täglichen Leben. Diese Menschen gehen mit einer anderen Weltsicht, einem anderen Autopiloten und Autofokus durch das Leben als diejenigen, die glauben, dass die Welt ein großer Abenteuerspielplatz ist, der Erfahrungen ermöglicht, die Spaß machen und das Leben bereichern.

Die jeweils andere Weltsicht zu integrieren, legt für beide Seiten die Grundlage für neue Entwicklungsmöglichkeiten. Das Business-Enneagramm bietet dazu eine Vielzahl von Anregungen, wie dieser Integrationsprozess elegant umgesetzt werden kann.

Das Modell, das hier zur Illustration verwendet wird, wie wir uns unsere individuelle Wirklichkeit erschaffen, hat an der Basis Glaubenssätze oder Grundannahmen (engl.: »beliefs« und »big assumptions«) aus denen wir dann unsere Haltungen entwickeln. Die Glaubenssätze werden einfach von anderen, prägenden Menschen übernommen und diese Glaubenssätze oder Grundannahmen zu überprüfen, ist eine wichtige Auseinandersetzung in der Persönlichkeitsentwicklung. »Stimmt das so für mich? Ist das wahr? Warum nicht? Dann wähle ich einen anderen Glaubenssatz!« Es ist naheliegend, dass die Erfahrung des Lebens und die Dynamik der eigenen Entwicklung mit einem neuen Glaubenssatz anders aussehen wird. Die daraus resultierenden Haltungen bestimmen nicht nur unseren privaten, sondern auch beruflichen Kontext, als Mitarbeiter*in, Teammitglied oder Führungskraft.

Wo kommen die Glaubenssätze her?

Glaubenssätze übernehmen wir, während wir aufwachsen, unreflektiert von anderen. In erster Linie sind das die Personen, die den väterlichen und/oder den mütterlichen Einfluss auf uns ausüben. Das müssen nicht unbedingt die leibliche Mutter oder der leibliche Vater sein. Es können ein älterer Bruder, eine ältere Schwester, eine prägende Bezugsperson wie eine Tante, ein Onkel, eine Lehrerin, ein Lehrer oder die Großeltern sein. So gab ein enges Mitglied unseres Netzwerkes an, dass sein jüngerer Bruder für ihn den mütterlichen Einfluss ausgeübt hat. Väterlicher und mütterlicher Einfluss sind in der Entwicklung des Menschen sehr wichtig und dauern länger als bei jedem anderen »Säugetier«. Da wir biologisch nur sehr geringe Chancen hätten, unser Überleben allein erfolgreich zu gestalten, können wir nur in der Gemeinschaft überleben. Und das Erlernen der dafür notwendigen sozialen Kompetenzen dauert nahezu zwei Jahrzehnte. Angeeignete Glaubenssätze geben uns dabei Halt und Orientierung und wirken im privaten wie beruflichen Kontext.

Glaubenssätze vereinfachen die Komplexität der Welt

Glaubenssätze dirigieren den Mechanismus, welchen Dingen im Leben wir Aufmerksamkeit widmen und welchen nicht. Obwohl in vielen Fällen diese Vereinfachung effizient erscheint, kann diese automatische Ausrichtung der Aufmerksamkeit unsere Erfahrung des Lebens sehr stark einschränken. Ganz häufig ist es uns nicht bewusst, dass wir eine Wahl haben, aus dem Kreislauf der sich selbst bestätigenden Glaubenssätze auszusteigen. Die unbewussten Glaubenssätze bewusst zu machen und sie auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen und herauszufordern, eröffnet eine ganz neue Welt. Die daraus entstehenden neuen Perspektiven können unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen nachhaltig verändern. Eine relativ kleine Veränderung im Fundament der Glaubenssätze und Grundannahmen kann eine große Veränderung im Bereich der Gefühle und der Art, wie wir unsere Erfahrung wahrnehmen, hervorrufen. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf das private Leben, sondern kann auch den beruflichen Kontext verändern und Beziehungen im Team deutlich verbessern.

Glaubenssätze helfen uns, viele Erfahrungen des komplexen Alltagslebens zu vereinfachen. So steuern wir Dinge besser und müssen weniger Aufwand betreiben. Diese Glaubenssätze bilden das Fundament unserer Erfahrung. Aber - sie sind im Großen und Ganzen nicht das Ergebnis unserer Erfahrung. In anderen Worten: »Der Glaube braucht keine Beweise. Er schafft sie!« Viele Glaubenssätze sind uns normalerweise nicht bewusst. Mit dem Business-Enneagramm ergeben sich viele neue Möglichkeiten, diesen Bewusstwerdungsprozess zu steuern und Erweiterungen zu initiieren.

Wie kann man Glaubenssätze ändern?

Wenn wir unsere Glaubenssätze verändern, sprengt das unser Verständnis von »Lebens-Normen«. Es braucht Energieaufwand, um die eingeschliffenen Routinen und Gewohnheiten zur überwinden. Die beiden Professoren für Psychologie von der Harvard University Kegan und Lahey (Kegan, Robert/Lahey, Lisa L.: Immunity to Change, Boston 2009) sprechen in diesem Zusammenhang sogar von einer »Immunität gegen Veränderungen«. Das trifft es gut und hat tiefgreifende Auswirkungen auf die eigene berufliche Entwicklung sowie auf Entwicklungs- und Veränderungsprozesse in Teams und Organisationen. So haben wir für jedes Enneagrammprofil Kernelemente der auf Kegan und Lahey beruhenden Immunität gegenüber Veränderungen entwickelt, die wir in Seminaren, Workshops und im Coaching vermitteln und diskutieren. Außerdem gibt es in den Veranstaltungen des Business-Enneagramms vielfältige Anregungen, wie man neue Glaubenssätze bestärken kann, so dass sie integriert werden können. Wichtig ist zu verstehen, dass man nicht damit beginnen sollte, seine »liebgewonnenen« Überzeugungen und Glaubenssätze aufzugeben, sondern damit, neue hinzuzufügen. Anfangs diejenigen, die man bei Kolleginnen und Kollegen vielleicht bislang abgelehnt hat, die aber, genau wie die eigenen Glaubenssätze, Werte verfolgen, die für mehr Erfolg des Teams oder des Unternehmens und für mehr Zufriedenheit der Mitarbeitenden sorgen.

Was bedeutet in diesem Kontext »mütterlicher und väterlicher Einfluss«?

Das mütterliche Element gibt dem Nachwuchs Geborgenheit, Schutz, Anerkennung, Nahrung und Unterstützung, sowohl physisch als auch emotional. Dies kann von der leiblichen Mutter ausgehen, jedoch auch von prägenden Bezugspersonen wie einer Lehrerin, Tante, Oma, älteren Schwester oder sogar, wie oben erwähnt, von einem jüngeren Bruder wahrgenommen werden.

Das väterliche Element vermittelt eher Disziplin, Geradlinigkeit, Gerechtigkeit, eine gewisse Versorgungsmentalität, Ordnung und Regeln, die in der Persönlichkeitsentwicklung wichtig sind. Dies kann der genetische oder Stief-Vater sein. Diese Rolle kann jedoch auch von einer prägenden Bezugsperson wie einem Mentor, Lehrer, Bruder, Onkel, Opa, oder wie es bei einem Mitglied unseres Netzwerkes der Fall ist, der leiblichen Mutter wahrgenommen werden.

Man kann sich das gut am Beispiel einer Vollwaise deutlich machen. Wenn der für die Persönlichkeitsentwicklung notwendige mütterliche und väterliche Einfluss nur von den leiblichen Eltern ausgehen könnte, dann wären Waisenkinder verloren. Sie könnten keine Persönlichkeit entwickeln. Es kommt darauf an zu unterscheiden, in welchen Phasen des Heranwachsens welche Personen diesen Einfluss ausgeübt haben. Er kann durchaus von verschiedenen Personen kommen. Immerhin ist der Mensch das Wesen, das am längsten auf Mutter und Vater angewiesen ist, bevor es auf eigenen Beinen stehen kann.